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Lesetipp: Zwei neue Broschüren für eine bessere Wissenschaftskommunikation

Wie können sowohl junge als auch erfahrene Wissenschaftler*innen sicher und reflektiert kommunizieren? Das beleuchten zwei neue Broschüren der Technischen Universität (TU) Darmstadt und der Otto-von-Guericke-Universität (OvGU) Magdeburg. Sie wurden im Rahmen eines Förderprojekts der Klaus Tschira Stiftung veröffentlicht und geben Tipps für eine bessere Wissenschaftskommunikation.

Lesetipp

Zwei neue Broschüren geben Tipps für eine besser Wissenschaftskommunikation

Wissenschaftler*innen im ungewohnten Scheinwerferlicht

„Wer Wissenschaft an die breite Öffentlichkeit vermitteln möchte, sieht sich mit zahlreichen Herausforderungen aus Medienwelt und Politik konfrontiert“, heißt es in der Pressemitteilung der Klaus Tschira Stiftung. „In der Corona-Pandemie sahen sich Forschende gezwungen, mit ihrer Expertise in das ungewohnte Scheinwerferlicht der Massenmedien zu treten. „Wie sie sich in Talkshows, Zeitungen und Podcast in den politischen Diskurs einbrachten, untersuchte ein gemeinsames Forschungsteam der OvGU Magdeburg und der TU Darmstadt parallel zum Verlauf der Krise im Projekt „Zwischen Elfenbeinturm und rauer See – zum prekären Verhältnis zwischen Wissenschaft und Politik und seiner Mediatisierung am Beispiel der Corona-Krise“.

„MagDa-Maximen“ geben Tipps für politisierte Kontexte

Im Rahmen dieses Forschungsprojekts entstand die Handreichung „MagDa-Maximen“, die Orientierung im Spannungsfeld von Politik, Medien und Wissenschaft geben will. Auf fünf Seiten zeigt die Broschüre auf, wie Wissenschaftler*innen in politisierten Kontexten wie der Corona-Pandemie kommunizieren können und gibt praxisnahe Tipps,

Raus in die Welt und sich trauen

„Grundlegend gilt: Raus in die Welt! Trauen Sie sich!“, betonen die Autor*innen gleich zu Beginn der Broschüre. Denn je häufiger die Öffentlichkeit mit den Besonderheiten wissenschaftlicher Forschung und Argumentation Kontakt habe, desto normaler werde ihr Umgang damit.

Auf verschiedene Anforderungen vorbereitet sein

Die Handreichung empfiehlt Wissenschaftler*innen, auf verschiedenste Anforderungen im öffentlich-medialen Diskurs vorbereitet zu sein. Von der Marktlogik der Medien (z.B. hohe Einschaltquoten und Verkaufszahlen) über den Zeitpunkt der Kommunikation bis zu den eigenen Regeln jedes Medienformats. Denn „ein Podcast funktioniert anders als eine Talkshow oder ein schriftlich geführtes Interview“ und Journalist*innen „aus dem Wissenschaftsressort werden Sie anders befragen als solche aus dem Politikressort oder aus dem Feuilleton“. Vor allem in Polit-Talkshows würden Moderator*innen immer wieder geschickt hitzige Diskussionen provozieren – und Wissenschaftler*innen sollten hier auf ihre Rolle verweisen und klar machen, über welche Themen sie zu sprechen bereit seien und über welche nicht. „Ich bin hier als Virologin und kann daher keine politischen Maßnahmen bewerten“, nennt die Publikation als Beispiel.

Eigene Expertise deutlich machen

Am Ende geben die Autor*innen der Handreichungen noch zwei Empfehlungen: „Letztlich sollten Sie deutlich machen, wo Ihre eigene Expertise liegt“ und auch auf Wissenslücken und Noch-nicht-Wissen immer klar hinweisen.

„no:crisis“ will das Verstehen zwischen Wissenschaft und Journalismus fördern

Die zweite Broschüre heißt „no:crisis – Notes on Critical Interaction Situations in Science Communication“ und entstand im gemeinsamen Forschungsprojekt „Förderung der Textkompetenz von Nachwuchswissenschaftler:innen in den Naturwissenschaften“ an der TU Darmstadt, dem Science Media Center Germany und dem Nationalen Institut für Wissenschaftskommunikation. Die 40-seitige Publikation will das gegenseitige Verstehen zwischen Wissenschaft und Journalismus fördern und die Fähigkeit zum Perspektivenwechsel unterstützen.

Lösungsvorschläge für kritische Interaktionssituationen

Auf Basis von Interviews mit mediengeübten Forschenden identifizierten die Autor*innen typische „kritische Interaktionssituationen“ in der Wissenschaftskommunikation und diskutierten sie mit erfahrenen Wissenschaftsjournalist*innen. Die 18 häufigsten Konfliktpunkte aus der Praxis fasst die Handreichung in sechs Kapiteln zusammen, bietet Lösungsvorschläge und unterfüttert sie mit Hintergrundwissen aus der Linguistik, Psychologie und Kommunikationswissenschaft.

Im ersten Kapitel geht es um das Handlungsfeld und die Frage „Wer folgt welchen Arbeitsroutinen“, im zweiten um die Rolle im Diskurs und die Frage „Wer hat hier welche Aufgaben?“, im dritten Kapitel um das Wissen und die Frage „Wer weiß was (nicht)?“, im vierten um das Thema und die Frage „Worum geht es inhaltlich?“, im fünften um den Kommunikationszweck und die Frage „Warum sprechen wir darüber?“ und im sechsten und letzten Kapitel um die Sprache und die Frage „Wie formuliert man das?“.

Arbeitsroutinen bewusst machen

„Machen Sie sich bewusst, dass bei einem Interview oder einem Bericht, in dem Sie zitiert werden, nicht Sie die Letztverantwortung als Autor*in haben, sondern der*die Journalist*in“, heißt es zum Beispiel auf Seite 11 im ersten Kapitel der Broschüre, in dem es um die Arbeitsroutinen geht.

Hochschulkommunikation einbeziehen

„Versuchen Sie frühzeitig, die Presseabteilung in Ihre Kommunikationsaktivitäten einzubeziehen und diese mit ihr abzustimmen. Bewahren Sie aber auch Ihre wissenschaftliche Selbständigkeit und Unabhängigkeit“, empfehlen die Autor*innen auf Seite 17 im Kapitel über die unterschiedlichen Rolle im Diskurs – und verweisen auf die Leitlinien für eine gute Wissenschaftskommunikation.

Geduld und Sorgfalt mitbringen

Im dritten Kapitel, das sich um Wissen dreht, erklären die Autor*innen auf Seite 19: „Wissenschaftskommunikation erfordert Geduld und Sorgfalt bei allen Beteiligten – beim Erklären ebenso wie beim Zuhören, Weiterverarbeiten und Verstehen. Sie sollten sich also bemühen, mit Blick auf das Vorwissen Ihrer Kommunikationspartner*innen Verstehenshintergründe (...) und Kontext (z. B. zu zugrundeliegenden Fragestellungen und Experimenten) mitzuliefern.“

Vertrauen in Wissenschaft fördern

„Versuchen Sie durch ihr wissenschaftliches und kommunikatives Handeln, das Vertrauen in Wissenschaft als demokratisch relevante Institution zu rechtfertigen und zu fördern – zum Beispiel durch die Erklärung von Forschungsprozessen, die offene Thematisierung von Unsicherheiten und die nachvollziehbare Einordnung von Daten und Erkenntnissen.“ Diese Praxisempfehlung steht auf Seite 26 im Kapitel vier.

Dem Gewissen folgen

Im fünften Kapitel, das sich dem Kommunikationszweck widmet, lautet ein Ratschlag auf Seite 30: „Folgen Sie Ihrem Gewissen – und bleiben Sie dem Zweifel gegenüber aufgeschlossen. Es gibt zwar den Wert der Interessensfreiheit der Wissenschaft, aber es ist ein Irrtum zu glauben, Sie würden Ihre Forschung völlig frei von Weltanschauungen betreiben (können).“

Fachbegriffe erklären und Deutsch sprechen

Das letzte Kapitel befasst sich mit der Sprache und empfiehlt auf Seite 34: „Versuchen Sie, Fachwörter möglichst ganz zu vermeiden oder zu umschreiben“ und auf Seite 35 „üben Sie bei jeder Gelegenheit, von Ihrer Forschung auch auf Deutsch zu berichten, selbst wenn das in Ihrem Fach in Forschung und Lehre nicht mehr üblich ist.“

 

Mehr Informationen:

Elke Zapf