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Defizit-Modell: Wie relevant ist es für die Wissenschaftskommunikation?

Welche Relevanz hat das „Defizit-Modell“ für die Wissenschaftskommunikation? Darüber diskutieren Dr. Elisabeth Hoffmann, Dr. Julia Serong, Rebecca Winkels und Prof. Dr. Rainer Bromme in der aktuellen Folge des Podcasts „Wisskomm-Quartett – Nachdenken über Wissenschaftskommunikation“. Wie immer beleuchtet er das Wechselspiel von Forschung und Praxis in der Wissenschaftskommunikation.

Grafik zum Defizit-Model

Welche Relevanz hat das Defizit-Modell für die Wissenschaftskommunikation? (Illustration: Simon Esser/WiD)

Was ist das Defizit-Modell?

„Im Kern ist es die Idee, dass Unwissenheit – oder man könnte sagen Defizite – an Wissen in der Öffentlichkeit die Ursache für die fehlende Unterstützung von Wissenschaft ist“, erklärt Prof. Dr. Rainer Bromme zu Beginn des Podcasts. Er ist Seniorprofessor für Pädagogische Psychologie an der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster und hat das „Defizit-Modell“ als Thema für die Folge 12 des Podcasts vorgeschlagen.

Welche Relevanz hat das Defizit-Modell für die Wissenschaftskommunikation?

Von der Zustimmung zur Ablehnung

Mitte der 1980er-Jahre war das Defizit-Modell laut Bromme ein Treiber für die Wissenschaftskommunikation. Damals „wurde die Aufmerksamkeit gelenkt auf die Notwendigkeit, mehr Wissenschaftskommunikation zu betreiben – und dahinter steckte dann immer die Begründung, dass es darum geht, Defizite auszugleichen, fehlendes Wissen zu ersetzen, Wissen aufzubauen, um auf diese Wiese mehr Akzeptanz und Unterstützung von Wissenschaft allgemein zu bekommen.“

In den letzten zehn Jahren gebe es allerdings eine „Art Konsens, dass dieses Defizit-Modell ganz falsch sei“ – und dass Wissenschaftskommunikator*innen bei ihrer Arbeit „auf jeden Fall nicht von diesem Defizit-Modell ausgehen“ sollten.

Empirische Studien widerlegen Modell

Der unmittelbare Zusammenhang zwischen wissenschaftlichem Wissen, Akzeptanz von Wissenschaft, Vertrauen in Wissenschaft und der Akzeptanz von praktischen Folgerungen aus wissenschaftlichem Wissen ist empirisch widerlegt.

Das betont Dr. Julia Serong, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Kommunikationswissenschaft und Medienforschung der Ludwig-Maximilians-Universität München: „Gerade diejenigen, die sich eigentlich schon gut informiert haben und die schon Bescheid wissen und schon ein relativ hohes Bildungs- und Informationsniveau in bestimmten Diskursen haben, gerade die sind diejenigen, die sich dann auch mit der Wissenschaft anlegen und widersprechen und kritisieren.“

Wissenschaftskommunikation will nicht belehren

Prakiker*innen aus der Wissenschaftskommunikation lehnen das Defizit-Modell – laut Dr. Elisabeth Hoffmann, die das Dezernat Kommunikation und Marketing der Universität zu Köln leitet – oft auch deshalb ab, weil sie einen gleichberechtigten Austausch auf Augenhöhe mit Bürger*innen anstreben und nicht als „Wissende den Unwissenden in paternalistischer Weise eine Weisheit“ liefern möchten.

Darüber hinaus gehe es in der Praxis der Wissenschaftskommunikation immer mehr darum, Problemstellungen zu kommunizieren, bei denen nicht nur wissenschaftliches Tatsachenwissen, sondern auch Werte und gesellschaftliche Konfliktlagen involviert sind.

Jetzt anhören:

Den Podcast des Wisskomm-Quartetts gibt es hier: https://www.wissenschaft-im-dialog.de/projekte/wisskomm-quartett/

Elke Zapf